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Wildkräuter: Gesunde Romantik am Wegesrand

Als die Menschheit noch am Anfang ihrer Entwicklung stand, bestand unsere Spezies aus Jägern und Sammlern. Nicht unbedingt zum Spaß, denn ein Hobby war es freilich nicht. Es ging vor allem um Nahrungsbeschaffung – und damit ums unmittelbare Überleben. Heute im digitalen Zeitalter trifft man kaum noch Sammler. Zwar ist der Sammeltrieb noch rudimentär erhalten geblieben, doch stehen dabei eher Briefmarken, Kunstobjekte oder Geschirr im Fokus. Begreift man Sammeln in seiner ursprünglichen Form jedoch als „Einsammeln“, beispielsweise von Beeren oder Kräutern, wird es wohl fast noch seltener praktiziert. Zu Unrecht, denn es kann gleich in mehrerlei Hinsicht gesundheitsfördernd sein. Zum einen bietet es reichlich Bewegung an der frischen Luft, zum anderen haben die Schätze der Natur einen ganz erheblichen ernährungsphysiologischen Nutzen. Im Folgenden widmen wir uns dem beinahe in Vergessenheit geratenen Sammeln von Wildkräutern.

Viel besser als ihr Ruf

Viele Wildkräuter werden oftmals geringschätzig als „Unkraut“ bezeichnet, was ihnen keineswegs gerecht wird. Ganz im Gegenteil, denn sie erfüllen in der Natur einige Aufgaben und sind wichtig für Insekten und andere Tiere. Und auch für den Menschen können sie von großem Nutzen sein. Zu den Wildkräutern zählen alle krautigen Pflanzen, die nicht durch Züchtungen verändert wurden. Von Sträuchern und Bäumen unterscheiden sie sich darin, dass sie keinen holzigen Stamm besitzen. Geschmacklich bieten sie eine große Vielfalt, ob bitter, süß, nussig oder pilzartig. Entsprechend vielseitig lassen sich Wildkräuter in der Küche einsetzen. Von Pesto, Dressing und Wildkräuterquark bis hin zu Tees oder Smoothies gibt es viele Verwendungsmöglichkeiten. Übrigens gibt es Wildkräuter nicht nur im Sommer. Die meisten von ihnen können das ganze Jahr über gesammelt werden und ihren Beitrag zu einer gesunden Ernährung leisten. Ein Blick auf vier prominente Wildkräuter, die sich auch von Laien sehr leicht erkennen lassen, zeigt, dass sich die vergleichsweise kleine Mühe beim Sammeln wirklich lohnt.

  • Brennnessel

Man kommt nicht gerne mit ihnen in Berührung, denn dann machen Brennnesseln ihrem Namen wirklich alle Ehre. An diesen schmerzhaften Erfahrungen mag es auch liegen, dass die Brennnessel in vielen Gärten unerwünscht ist und radikal bekämpft wird. Dabei gerät leicht in Vergessenheit, wie viele gesunde Vitalstoffe in Brennnesseln tatsächlich stecken. Sie sind reich an ätherischen Ölen, Kieselsäure, Kaffeoyläpfelsäure und Beta-Carotin. Zudem enthalten sie Mineralstoffe (z.B. Kalium, Magnesium, Eisen) und Vitamine. Hierbei ist vor allem der sehr hohe Vitamin C-Anteil auffällig. In der Tat liegt dieser höher als bei Zitrusfrüchten. Selbst in Sachen Eiweiß kann sich die Brennnessel absolut sehen lassen. Ihr Proteinanteil liegt bei 7 %. In der Trockenmasse macht er sogar 30 % aus und liegt damit in absoluten Zahlen etwa auf dem gleichen Level, wie eine vergleichbare Menge frischer Hülsenfrüchte. Zu guter Letzt bieten Brennnesseln u.a. mit dem Pflanzenfarbstoff Rutin, der zu den Flavonoiden zählt, auch noch wertvolle sekundäre Pflanzenstoffe. Flavonoide wirken entzündungshemmend, antioxidativ, durchblutungsfördernd und krampflösend. Zubereitet werden Brennnesseln am besten als gekochtes Gemüse, Suppe oder Tee. Brennnesseln gelten als wertvolle Helfer bei unterschiedlichsten Beschwerden von Arthrose über Blasenentzündung bis zu Bluthochdruck. Ob im eigenen Garten oder einer Begegnung beim Spaziergang – die Brennnessel hat es also mehr als verdient, ihr mit Wertschätzung zu begegnen.

Erntezeit: März bis Dezember

  • Giersch

Auch Giersch ist bei Gartenbesitzern nicht sonderlich beliebt und gilt bei vielen als lästiges Unkraut, das nur sehr schwer zu bändigen ist. Dabei ließe sich aus dieser „Not“ leicht eine Tugend machen, denn die Gierschblätter lassen sich gut zu Salat, aromatischer Suppenwürze oder Pesto verarbeiten. Gekocht schmecken sie als Gemüse. Giersch ist vor allem sehr reich an Vitamin C und Eisen. Zudem bietet Giersch auch noch eine ganze Reihe andere Mineralstoffe: Kalium, Magnesium, Calcium und Zink. Und wer nun denkt, das wäre schon alles, der irrt. Denn u.a. zählen auch noch ätherische Öle, Polyine, Phenolcarbonsäuren, Cumarine, Flavonolglykoside und Kaffeesäure zu den gesunden Inhaltsstoffen. Bei näherer Betrachtung erweist sich Giersch, dem auch eine entzündungshemmende und entwässernde Wirkung zugeschrieben wird, also als eine Art „Supergemüse“ und hat zumindest aus ernährungswissenschaftlicher Sicht mehr zu bedienen als der allseits hoch geschätzte Grünkohl. Dass er trotzdem so selten auf dem Teller landet, kann eigentlich auch nicht am Geschmack liegen, der leicht an Spinat erinnert.

Erntezeit: März bis September

  • Löwenzahn

Im Frühling bestimmen die leuchtend gelben Blüten des Löwenzahns vielerorts das Landschaftsbild. Nach der Reife entwickeln sich Samen an der Stelle der Blüte, die an einen „Flugschirm“ erinnern und sich zwecks Verbreitung leicht vom Wind davontragen lassen. Daher hat der Löwenzahn auch seinen bekanntesten Spitznamen: Pusteblume. In unseren Regionen ist der Löwenzahn so weit verbreitet, dass man nicht lange suchen muss, um ihn zu finden. Dabei ist er ein wahrer Schatz der Natur, denn wenige Lebensmittel können es hinsichtlich ihres Vitalstoffgehalts mit dem Löwenzahn aufnehmen. Er ist reich an den Vitaminen C und A und zeichnet sich darüber hinaus durch einen sehr hohen Gehalt an Magnesium und Kalium aus. In der traditionellen Medizin wird er u.a. bei Leberbeschwerden eingesetzt. Zudem regt er die Verdauung an und wirkt harntreibend. Junge Löwenzahnblätter sind ideal für Salate oder grüne Smoothies. Gegart kann man sie gut als Spinatalternative einsetzen. Nach der Blüte sollte der Verzehr allerdings reduziert werden, da sich Oxalsäure bildet und die Bitterkeit zunimmt. Übrigens sind auch die Blüten selbst essbar und durchaus zu empfehlen – sowohl roh als auch angebraten.

Blüte- und Erntezeit: April bis Juni

  • Gänseblümchen

Von den vier hier vorgestellten Wildkräutern ist das Gänseblümchen zweifellos die Pflanze, der abseits ihrer ernährungswissenschaftlichen Eigenschaften die meiste Sympathie entgegengebracht wird. In manch heimischen Garten wird sogar um sie herum gemäht, wenn sie zwischenzeitlich im Rasen auftauchen und ihre weiße Blütenpracht entfalten. Tatsächlich hat das Gänseblümchen den Ruf der „Unschuldigen“ und wird daher sehr viel seltener „bekämpft“ als andere Wildkräuter. Das ist auch gut so, dann sie ist auch eine starke und essbare Heilpflanze. Besonders gerne wird sie aufgrund ihrer blutreinigenden, entgiftenden und stoffwechselanregenden Wirkung in entschlackenden Frühjahrskuren eingesetzt. Auch bei Erkältungsbeschwerden sind Gänseblümchen ein willkommenes und natürliches Heilmittel. Ihre schmerzstillenden, antiseptischen und schleimlösenden Inhaltsstoffe können Halsschmerzen, Husten und Fieber lindern. Seien es Salate, Suppen, Müslis oder Smoothies: Die vitaminreichen Blüten machen mit ihrem leicht nussigen und säuerlichen Geschmack sowohl bei süßen als auch herzhaften Speisen nicht nur optisch eine gute Figur. In der klassischen Heilkunde werden Gänseblümchen als kräftigender Tee eingesetzt oder zu einer desinfizierenden Tinktur verarbeitet, die sich vor allem als entzündungshemmende und schmerzstillende Mundspülung eignet.

Blüte- und Erntezeit: März bis November

 

Naturschutz vor Eigennutz

Die Natur hält unzählige Schätze für uns bereit. Entsprechend dankbar und demütig sollten wir ihr begegnen. Und auch der eigene Schutz sollte nicht gänzlich außer Acht gelassen werden. Wer aber ein paar einfache Grundregeln einhält, wird mit viel gesunder Freude beim Sammeln von Wildkräutern belohnt:

  • Es gebietet sich beinahe von selbst, nicht mehr zu sammeln, als man wirklich nutzen möchte. Abgesehen davon sollten stets zwei Drittel der vorgefundenen Pflanzen stehen bleiben, damit sie gut nachwachsen können. In Naturschutzgebieten ist das Sammeln selbstverständlich strikt verboten.
  • Kräuter sollten grundsätzlich nicht mit ihren Wurzeln herausgerissen, sondern mit einem Messer oder einer Schere abgeschnitten werden. Zum Sammeln eignen sich luftige Körbe oder Leinenbeutel. Experten raten dazu, die Kräuter möglichst in der Mittagszeit zu ernten, da zu dieser Zeit der Gehalt an wertvollen ätherischen Ölen am höchsten sein soll.
  • Vor dem Weiterverarbeiten sollten die Kräuter unbedingt gründlich gewaschen werden. Aufgrund der Schadstoffbelastung ist vom Sammeln an befahrenen Straßen, am Rand konventionell bewirtschafteter Flächen oder an beliebten Hundespazierwegen abzuraten. Außerdem sollten nur gesunde und saubere Pflanzen geerntet werden.
  • Der beste (und sicherste) Sammelplatz ist oft der eigene Garten. Dort lassen sich Wildkräuter auch ganz gezielt ansiedeln. Entsprechende Samenmischungen gibt es im Handel.
  • Die meisten Kräuter lassen sich gut ein paar Tage im Kühlschrank aufbewahren. Dazu am besten eine Brotbox aus Metall oder Glas verwenden. Tüten sind ungeeignet, da die Kräuter schnell anfangen zu schwitzen und so schneller vergammeln oder ungenießbar werden. Kopfüber in Bündeln aufgehängt lassen sich die Kräuter auch gut trocknen.