Lebensmittelunverträglichkeiten – wenn Lebensmittel Schwierigkeiten machen
Laktose, Fruktose, Histamin und Gluten – diese in vielen Lebensmitteln enthaltenen Stoffe verursachen bei immer mehr Menschen gesundheitliche Probleme. Verschiedene Befragungen unterstreichen, dass inzwischen deutschlandweit rund 20 bis 30 Prozent der Bevölkerung unter Beschwerden nach dem Verzehr bestimmter Nahrungsmittel leiden. Häufig ähneln die Symptome dabei denen herkömmlicher Lebensmittelallergien. Mit Blick auf die Ursachen sind diese aber etwas völlig anderes. Eine Allergie beschreibt eine Abwehrreaktion des Immunsystems auf einzelne Stoffe, die normalerweise als harmlos eingestuft werden können. Bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit ist das Immunsystem dagegen nicht beteiligt. Vielmehr hat der Organismus schlichtweg die Fähigkeit verloren, einen bestimmten Nährstoff zu verdauen. Auslöser dafür können fehlende oder in zu geringem Maße vorliegende Enzyme oder Transportsysteme sein. Die Unverträglichkeit ist mit Ausnahme der Glutenunverträglichkeit (Zöliakie) somit eine nicht-immunologische Reaktion, die entweder von Geburt an oder im Laufe des Lebens – beispielsweise in Folge einer Erkrankung – eintreten kann. Abhängig davon, wie stark die Unverträglichkeit ausgeprägt ist, müssen Betroffene mehr oder weniger konsequent auf den Auslöser verzichten. Im günstigsten Fall können weiterhin kleine Mengen beschwerdefrei verzehrt werden. Diese persönliche Höchstmenge ist jedoch sehr variabel, so dass es sich im Krankheitsfall dringend empfiehlt, mit Hilfe entsprechender Fachkräfte, eine individuelle Maximalgrenze für sich selbst zu ermitteln.
Im Folgenden werfen wir einen detaillierteren Blick auf die vier häufigsten Unverträglichkeiten.
Laktoseintoleranz
Bei dem Milchzucker Laktose handelt es sich um einen sogenannten Zweifachzucker, der aus jeweils einem Galaktose- und einem Glukosebaustein besteht. Bei gesunden Personen wird die Verbindung der einzelnen Elemente durch das Enzym „Laktase“ gespalten. Anschließend können Galaktose und Glukose im Dünndarm problemlos resorbiert werden. Besteht dagegen eine Laktoseunverträglichkeit, wird das Enzym Laktase lediglich in unzureichenden Mengen oder gar nicht mehr produziert. In Folge dessen gelangt die Laktose ungehindert in den Dickdarm, wo er von den dort ansässigen Bakterien abgebaut wird. Durch die anaeroben Vergärungsprozesse entstehen Gase, die zu Beschwerden wie Durchfall, Völlegefühl oder Flatulenz führen können.
In Europa werden Milch und Milchprodukte im Kindesalter generell gut vertragen. Bei einem Großteil der Weltbevölkerung sieht es allerdings anders aus. Hier ist bereits im Kindesalter ein natürlicher Rückgang der Laktaseproduktion zu verzeichnen. Damit steigen die Chancen im weiteren Verlauf des Lebens eine Laktoseunverträglichkeit zu entwickeln. In Deutschland sind Schätzungen zufolge zwischen 15 und 20% der Bevölkerung betroffen. Erkrankungen, wie beispielsweise Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa, bei denen die Darmoberfläche beschädigt wird, können ebenfalls eine Unverträglichkeit des Milchzuckers zur Folge haben.
Um Beschwerden vorzubeugen, ist es für Betroffene am einfachsten, laktosehaltige Lebensmittel zu meiden. Diesbezüglich sind insbesondere Milch, Sahne und Butter zu beachten. Joghurt und Käse enthalten produktionsbedingt deutlich weniger Laktose und werden daher in den meisten Fällen gut vertragen. Personen mit einer sehr hohen Laktoseempfindlichkeit sollten zudem auch Weichkäse und milchpulverhaltige Produkte vom Speiseplan streichen.
Intestinale Fruktoseintoleranz (Fruktosemalabsorption)
Der Name gibt bereits Auskunft über seine Herkunft. Fruchtzucker (Fruktose) ist von Natur aus in vielen verschiedenen Obstsorten enthalten. Darüber hinaus wird er von der Lebensmittelindustrie auch gerne als Süßungsmittel eingesetzt. Bei einigen Menschen kann die Aufnahme von Fruchtzucker allerdings zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Ursache ist eine Beeinträchtigung des Transportmechanismus, der den Zucker aus dem Darm durch die Darmwand und anschließend in die Blutbahn schleusen soll. Liegt eine intestinale Fruktoseintoleranz vor, gelingt es nicht, die zugeführte Menge Fruktose mittels des sogenannten GLUT-5-Transporters aus dem Darm zu schleusen. Das führt dazu, dass der Fruchtzucker letztendlich in den Dickdarm gelangt, wo er von den ansässigen Bakterien unter Gasbildung verstoffwechselt wird. Damit kommt es zu ähnlichen Störungen des Verdauungstraktes wie bei einer Laktoseunverträglichkeit. Darüber hinaus besteht ein weiteres Problem. Die nicht resorbierte Fruktose kann die aus der Nahrung stammende, essenzielle Aminosäure Tryptophan binden und ihre Aufnahme behindern. Tryptophan wird dringend für die Synthese des Glückshormons Serotonin sowie des Schlafhormons Melatonin benötigt. Eine Unterversorgung mit Tryptophan kann sich daher negativ auf die Stimmungslage sowie den Tag-Nacht-Rhythmus auswirken. Schließlich wurden in Kombination mit einer Fruktoseunverträglichkeit auch niedrige Folsäure- und Zinkserumspiegel beobachtet. Auf eine ausreichende Zufuhr mit diesen Mikronährstoffen sollten betroffene daher unbedingt achten.
Auch bei gesunden Menschen kann zu viel Fruktose Probleme auslösen, da die allgemeine Transportkapazität begrenzt ist. Werden sehr große Mengen Fruchtzucker auf einmal verspeist, können deshalb auch Personen, die keine Malabsorption aufweisen, unter Darmbeschwerden leiden. Limonaden und Süßwaren, die Fruktose als Süßungsmittel verwenden, sollten daher generell nicht in großen Mengen verzehrt werden. Fruchtsäfte, Smoothies und verschiedene Obstsorten können ebenfalls einen hohen Fruktosegehalt aufweisen. Auch Sorbit, das in der Rezeptur vieler „Light-Produkte“ als Zuckeraustauschstoff eingesetzt wird, kann zu Beschwerden des Verdauungstraktes führen, da er in seinem strukturellen Aufbau der Fruktose stark ähnelt. Bei bestehender Fruktoseunverträglichkeit sollten diese Produkte besser gemieden werden. Eine Verbesserung der Fruktoseaufnahme im Dünndarm kann durch den gleichzeitigen Verzehr von Protein und Fetten erreicht werden.
Histaminintoleranz
Histamin ist ein „biogenes Amin“, das in unserem Körper auf natürliche Weise vorkommt. Es dient u.a. als Gewebshormon und Neurotransmitter. Es wird insbesondere bei allergischen Reaktionen und Entzündungen gebildet. Allerdings können auch Lebensmittel Histamin enthalten und bei einigen Menschen Unverträglichkeitsreaktionen hervorrufen bzw. den Histaminstoffwechsel im Körper beeinflussen.
Nach aktuellem Kenntnisstand der Wissenschaft wird Histamin im Organismus auf zweierlei Wegen abgebaut. Histamin, das mit der Nahrung aufgenommen wurde, wird durch die sog. Diaminooxidase (DAO), bei dem es sich um ein Enzym in der Darmschleimhaut handelt, abgebaut. Abgesehen davon kann Histamin auch in den Leberzellen durch weitere Enzyme umgebaut und anschließend abgebaut werden.
Da die Symptome einer Histaminunverträglichkeit verschiedene Organsysteme betreffen können, fallen sie entsprechend vielseitig aus: Zu den Problemen, die auf Grund einer Histaminunverträglichkeit auftreten können, gehören Flush, Juckreiz, Magen-Darm-, Atemwegs- und Kreislauf-Beschwerden.
In Bezug auf die Histamin-Unverträglichkeit werden verschiedene Ursachen vermutet. Dazu gehören in erster Linie eine übermäßige Zufuhr biogener Amine über die Nahrung sowie eine gesteigerte Produktion biogener Amine im Darm. Auch ein verminderter Abbau im Darm aufgrund eines Enzymmangels oder einer Enzymblockade wird damit in Verbindung gebracht. Eine Rolle könnte auch eine nicht-immunologische Histaminfreisetzung durch sog. „Histaminliberatoren“ aus den Nahrungsmitteln spielen. Nicht selten ist auch von einer Kombination der genannten Punkte auszugehen.
Histamin ist in fast allen Lebensmitteln enthalten. Besonders hoch ist der Anteil in jenen, die einen durch Mikroorganismen oder Bakterien unterstützten Reifungsprozess durchlaufen. Dazu zählen beispielsweise Hartkäse, lang gelagerte Wurst- und Fleischwaren, geräucherter Fisch, Wein, Sekt, Hefeweissbier oder Sauerkraut. Zu beachten ist auch folgender Zusammenhang: Alkohol und bestimmte Arzneistoffe wie Aspirin können die Aktivität des Enzyms DAO drosseln. Dies kann einen verminderten Histaminabbau mit den entsprechenden Auswirkungen zur Folge haben.
Wer mit einer Histaminintoleranz zu tun hat, sollte – neben den individuell als unverträglich eingestuften Lebensmitteln – vor allem auf aufgewärmte Gerichte, Trockenobst, alkoholische Getränke, Rohmilchkäse, Rohwurst oder geräucherten Fisch weitestgehend verzichten. Regelmäßige kleine Mahlzeiten, die über den Tag verteilt werden, könnten sich als die günstigste Ernährungsweise für Betroffene erweisen.
Glutenintoleranz
Unter den Unverträglichkeiten nimmt die Zöliakie eine besondere Rolle ein, da sie – anders als die drei zuvor behandelten – zu den Autoimmunerkrankungen zählt. Hinter dem Begriff Zöliakie verbirgt sich die lebenslange Unverträglichkeit gegen das Klebereiweiß Gluten, das sich vor allem im Weizen, Dinkel, Roggen sowie in der Gerste befindet. Die Ursachen der Unverträglichkeit sind bislang noch nicht hinreichend erforscht. Fakt ist aber, dass das Immunsystem der Betroffenen bereits auf kleinste Mengen Gluten in der Nahrung mit einer anhaltenden Entzündung der Darmschleimhaut reagiert. Dabei wird die Oberfläche des Darms geschädigt und die Aufnahme von Nährstoffen erschwert. Diese Unverträglichkeit entwickelt sich in der überwiegenden Zahl der Fälle schon im jungen Kindesalter, wenngleich sie in jedem Lebensalter auftreten kann. Da die Entzündung der Darmschleimhaut nicht unmittelbar mit Symptomen einhergehen muss, wird die Krankheit oft erst Jahre später erkannt. Man rechnet in Deutschland mit einer hohen Dunkelziffer. Annahmen zu Folge wird nur bei etwa zwei von zehn Personen eine Zöliakie korrekt erkannt.
Wer unter Zöliakie leidet, muss ein Leben lang konsequent auf Gluten verzichten, und zwar ausdrücklich auch in beschwerdefreien Phasen. Bei einer dauerhaften und konsequent durchgeführten Nahrungsumstellung bestehen gute Aussichten, dass sich die Darmoberfläche wieder vollständig regeneriert.
Gluten findet sich in vielen Getreidesorten, wenn auch nicht in allen. Zu den glutenhaltigen Getreiden zählen neben Weizen, Roggen, Gerste und Dinkel auch Grünkern, Einkorn, Triticale und Kamut. Mais, Reis, Hirse, Soja, Wildreis, Buchweizen und Kartoffeln enthalten dagegen kein Gluten, vorausgesetzt bei der Ernte und Verarbeitung treten keine Verunreinigungen mit glutenhaltigen Getreiden auf. Unbedingt zu beachten ist, dass Gluten in Fertigprodukten enthalten ist, die Mehl als Bindemittel verwenden. Als Beispiel sind hier Soßen zu nennen.
Um wissenschaftlich korrekt zu bleiben, sollte folgender Hinweis nicht fehlen: Es werden auch nicht-immunologische Intoleranzreaktionen gegenüber Weizenbestandteilen, die mit glutenhaltigen Getreiden in Verbindung gebracht werden, diskutiert. Dabei handelt es sich nicht um Zöliakie, sondern eine sogenannte „Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität“. Nicht immer ist hier Gluten der Auslöser. In Abhängigkeit von der Symptomatik ist in diesen Fällen eine weizen- und gegebenenfalls auch dinkel- und zusätzlich glutenfreie Diät zu empfehlen.
Fazit
Bei der Diagnostik von Nahrungsmittelunverträglichkeiten muss ein breites Spektrum von Differenzialdiagnosen zu Grunde gelegt werden. Aus diesem Grund ist es von großer Bedeutung, frühzeitig mit Hilfe von Fachleuten die Ursachen der Beschwerden aufzuspüren und erst dann die eigenen Essgewohnheiten entsprechend zu ändern.
Therapeutisch kommt es – mit Ausnahme der Zöliakie – bei den genannten Nahrungsmittelunverträglichkeiten darauf an, die individuelle Verträglichkeitsgrenze stufenweise auszuloten. In der anschließenden Erhaltungsphase kann dann eine schmackhafte, bedarfsdeckende Ernährung ohne unnötige Verbote etabliert werden.